Lebensformen in Digitalisierten Lebenswelten (LeDiLe)

Digitale und vernetzte Technologien formen unseren Alltag. Oft wird allerdings entwickelt und hergestellt, ‚was funktioniert‘, weil ‚es funktioniert‘, mit dem Ziel, dass es technisch ‚optimal funktioniert‘. Seit einiger Zeit findet jedoch ein Wandel dieser Perspektive statt. Die Entwicklung und Gestaltung von Technik muss heute zunehmend auch z.B. moralische oder ökologische Ansprüche bedienen, die über die technische Funktionslogik i.e.S. hinausgehen.  Das Projekt LeDiLe setzt hier an: Mit der Entwicklung eines Konzeptes zur Vermittlung von Einsichten aus der Technikreflexion – insbesondere der Technikphilosophie und Technikethik – für die konkrete Technikentwicklung und Technikgestaltung soll ein Beitrag dazu geleistet werden, die ‚digitale Revolution‘ besser verstehen und durchdachter gestalten zu können.

Projektziel: Beitrag für eine reflektierte Technikgestaltung im Zeitalter der digitalen Revolution

In den letzten etwa drei Jahrzehnten haben GAFA & Co. (Google, Apple, Facebook, Amazon) unsere Welt disruptiv verändert. Heute formen digitale und vernetzte Technologien unser Leben in nahezu all seinen Facetten. Was für die industrielle Revolution galt, gilt in diesem Sinne auch für die digitale Revolution: Es kommt darauf an, sie besser zu verstehen und durchdachter zu gestalten. Das Projekt LeDiLe – Lebensformen in Digitalisierten Lebenswelten (https://integrierte-forschung.net/teilprojekt-ledile) möchte mit der Entwicklung eines Vermittlungsportfolios für eine reflektierte Technikgestaltung dazu einen Beitrag leisten.

Ausgangspunkt der Projektidee ist dabei der Begriff der Lebensform(en). Damit ist das Set an Normen, Traditionen und Praktiken bezeichnet, unter denen sich das Leben von Einzelnen und Gruppen vollzieht und seine Orientierung erhält. Im Zuge der Digitalisierung finden vielfältige Veränderungen nicht nur an den kursierenden Vorstellungen von Lebensformen statt – neue Lebensformen werden möglich, tradierte und bislang bewährte Lebensformen verschwinden –, sondern das Lebensform-Konzept selbst ist von Verschiebungen und Modifikationen betroffen: Die Möglichkeiten von Einzelnen und von Gesellschaften, sich zur eigenen Lebensform zu verhalten, werden in digitalisierten Lebenswelten andere sein als bislang. Wo eröffnen wir Menschen neue Möglichkeiten durch Einsatz von Technologie und wo verschließen wir ihnen andere? U. a. diese Fragen sollen in den Konstruktionsprozess von zukünftiger Technik einfließen.

Projektausrichtung und Cluster Integrierte Forschung

LeDiLe widmet sich Fragen dieser Art in vielfältigen Kooperationen und Partnerschaften – sowohl mit Institutionen und Forschungsgruppen aus der Wissenschaft (Universitäten, Fraunhofer Institute usw.) als auch mit namhaften Partnern aus Technikentwicklung und Industrie (wie etwa den Projektpartnern VDE und VINCI GmbH) sowie mit Einrichtungen und Akteuren aus Kultur, Kunst und Wissenschaftskommunikation. Im Rahmen dieser trans- und interdisziplinären Ausrichtung liegt der disziplinäre Schwerpunkt von LeDiLe dabei in den Bereichen der Technikphilosophie und Technikethik. Bearbeitet werden insbesondere technikphilosophische Grundlagenfragen zur Mensch-Technik-Relation und technikethische Fragen der Gestaltung informatischer Hochtechnologien (z. B. ‚Smart Home‘, e-Health, soziale Robotik, …).

LeDiLe ist Teil des Clusters ‚Integrierte Forschung‘ (https://integrierte-forschung.net/). Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ab April 2021 geförderte Forschungscluster geht aus dem ‚Netzwerk Integrierte Forschung‘ hervor. Das Forschungsparadigma einer Integrierten Forschung ist eine Weiterentwicklung des bereits etablierten ELSI-Konzepts, das für eine Berücksichtigung ethischer, rechtlicher und sozialer Gesichtspunkte in der Technikentwicklung steht (Ethical, Legal and Social Implications). Integrierte Forschung schließt an die mit dem ELSI-Leitbild in der Forschungspraxis gemachten Erfahrungen an und reagiert auf eine veränderte Bedarfslage, insbesondere das Eindringen von zunehmend unsichtbar werdender Technologie in alle Lebensbereiche und eine zunehmend dynamisierte Technikentwicklung. Ziel ist es, Technikentwicklung und Technikbeurteilung enger und früher zusammen zu bringen, wobei ein hoher Grad an Inter- und Transdisziplinarität sowie eine starke Öffentlichkeitswirksamkeit angestrebt werden.

Reflektierte Gestaltung von Technik

Das Kernziel des Forschungsprojektes LeDiLe ist es also, Perspektiven, Diskussionen und Erkenntnisse insbesondere der Technikphilosophie und Technikethik für die Technikgestaltung und Technikentwicklung nutzbar zu machen. Das angestrebte Vermittlungsportfolio adressiert dabei zum einen Grundprobleme und Grundverhältnisse der Technikreflexion, etwa zur ‚Natur‘ von technischen Artefakten (z. B.: ein Algorithmus ist kein Werkzeug) oder zu ihrer ‚Wert(e)haftigkeit‘ (z. B.: eine Schusswaffe ist kein wertneutrales Gerät).

Zum anderen adressiert es auch konkrete Probleme der Gegenwart und zukünftige Herausforderungen, etwa: Wie verlässlich sind KI-Anwendungen? Sind sie verlässlich genug für einen Einsatz im Rahmen kritischer Infrastruktur? Was heißt es eigentlich einem KI-System zu vertrauen, wenn selbst die Entwickler nicht nachvollziehen können, wie bestimmte Ergebnisse generiert werden (‚Black-Box-Phänomen‘)? Stehen wir vor der Entwicklung einer allgemeinen/‚starken‘ KI? Leben wir bald alle im Metaverse? Wie unterscheidet sich eigentlich die virtuelle Realität von der physischen Realität und sind beide ohne Verlust ineinander transformierbar? Über eine insbesondere technikphilosophische und technikethische Durchdringung sowie methodische Aufbereitung dieser und ähnlicher Phänomene von Technik überhaupt und im Speziellen von Technik im 21. Jahrhundert leistet LeDiLe einen Beitrag auf dem Weg zu einer reflektierten Technikgestaltung und Technikentwicklung.

 

Projektteam

Dr. Bruno Gransche, Institut für Technikzukünfte (ITZ) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)
Projektleiter von LeDiLe. Experte in den Bereichen Technikphilosophie und -ethik, soziotechnische Kulturtechniken und antizipatorisches Denken. Seine Schwerpunkte liegen dabei u. a. auf: künstlichen Assistenten, maschinellem Lernen, Autonomie und digitaler Durchdringung der Lebenswelten.

Dr. Sebastian Hallensleben, Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE)
Projektpartner von LeDiLe. Leiter der Querschnittsthemen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz im VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. Experte für Digitalisierung, KI und Rahmenbedingungen der konkreten Technikentwicklung und Technikgestaltung.

Sebastian Nähr-Wagener M.A., Institut für Technikzukünfte (ITZ) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in LeDiLe. Forschungsschwerpunkte:
Sprach- und Argumentationsphilosophie, Technikphilosophie und -ethik, Sozialphilosophie und Allgemeine Ethik sowie Erkenntnis- und Wissenschaftsphilosophie.

Dr. Bernhard Kirchmair, Vinci, S.A. (VINCI)
Projektpartner von LeDiLe.
Seit 2016 Chief Digital Officer (CDO) bei VINCI Energies und in dieser Funktion verantwortlich für die Konzerndigitalstrategie sowie die geschäftsbereichsübergreifenden Digitalprogramme, digitale Partnerschaften, daten-basierten Lösungsangebote, die kulturelle Transformation und die Digitalschmiede, das Digital Lab des Konzerns. Experte für Digitalisierung, Innovation und kommerzielle Technikentwicklung und Technikgestaltung.

Mirijam Schenk, Institut für Technikzukünfte (ITZ) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)
Wissenschaftliche Hilfskraft von LeDiLe. Interessenschwerpunkte: Technikphilosophie und -geschichte sowie Techniksoziologie und Medizinethik.

 

Arbeitskreis

Der interdisziplinäre Arbeitskreis von LeDiLe begleitet die Projektarbeit, indem er ein aus Experten unterschiedlicher Disziplinen zusammengesetztes Diskussionsforum für die konkrete Forschungsarbeit und ihre Herausforderungen bietet. Die Runde umfasst die LeDiLe-Projektpartner VDE und VINCI Energies, die Projektleiter des Teilclusters Digitalisierte Lebenswelten des Clusters Integrierte Forschung sowie einschlägige externe Experten.

Dr. Bernhard Kirchmair
→ siehe Projektteam

Dr. Sebastian Hallensleben
→ siehe Projektteam

Prof. Dr. jur. Axel Benning, FH Bielefeld
Projektleiter des Forschungsprojektes ‚Souveränität in Digitalisierten Lebenswelten‘ (SoDiLe) des Clusters Integrierte Forschung. Professor für Wirtschaftsrecht im Fachbereich Wirtschaft der FH Bielefeld. Experte für Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht und juristische Herausforderungen im Zuge konkreter Technikentwicklung und Technikgestaltung.

Prof. Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann, Universität Siegen
Externes Mitglied des Arbeitskreises. U. a. ehemaliger
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie e.V. (2006–2008) und von 2013 bis 2021 Mitglied des Deutschen Ethikrates. Aktuell Professor für Wissenschaftsethik/Medizinethik an der Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Universität Siegen. Berät LeDiLe auf Grundlage umfassender Expertise u. a. in Wissenschaftsphilosophie, Ethik und Technikfolgenabschätzung.

Prof. Dr. Armin Grunwald, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Externes Mitglied des Arbeitskreises. Seit 1999 Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und seit 2002 Leiter des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Seit 2007 ist er außerdem Inhaber des Lehrstuhls für Technikphilosophie und Technikethik am KIT. Berät LeDiLe auf Grundlage umfassender Expertise u. a. in Technikphilosophie, Technikethik und Technikfolgenabschätzung.

Prof. Dr. Andreas Kaminski, RWTH Aachen und Universität Stuttgart
Externes Mitglied des Arbeitskreises.
Gastprofessor am Lehrstuhl für Wissenschaftstheorie und Technikphilosophie der RWTH Aachen und Leiter der Abteilung für Philosophy of Computational Sciences am High-Performance Computing Center der Universität Stuttgart (HLRS). Berät LeDiLe auf Grundlage umfassender Expertise u. a. in Technikphilosophie, Philosophie der Informatik und Wissenschaftsphilosophie.

Prof. Dr. theol. habil. Arne Manzeschke, Evangelische Hochschule Nürnberg
Co-Sprecher des Clusters Integrierte Forschung und Projektleiter des Forschungsprojektes
‚Orientierung in Digitalisierten Lebenswelten‘ (OrDiLe) des Clusters Integrierte Forschung. Professor für Anthropologie und Ethik für Gesundheitsberufe an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Forschungsschwerpunkte in Medizin- und Pflegeethik, Wirtschafts- und Technikethik sowie ihren anthropologischen Grundlagen.

 

Rahmendaten

Projektlaufzeit: 01.04.2021 – 31.03.2024

Bewilligte Summe für das Cluster Integrierte Forschung: 2,75 Mio. EUR

Davon für das ITZ: 0,55 Mio. EUR